Das Kopieren von Firmendaten kann ein Grund für eine fristlose Kündigung sein. Jedoch nicht, wenn der Arbeitgeber noch immer Zugriff hat und die Daten nicht rechtswidrig verwendet werden. Gibt man sie dann aber nicht heraus, obwohl man dazu verpflichtet ist, kann dies wieder einen Grund darstellen. Beweispflichtig ist hierbei stets der Arbeitgeber. So entschied es das das Landesverwaltungsgericht Hamburg am 17.11.2022 (Az. 3 Sa 17/22).
Geheimhaltungsklauseln im Dienstverhältnis
Der Kläger war Angestellter bei der Beklagten, einer Unternehmensberatung. Im Rahmen des Arbeitsvertrags hatte er auch Verschwiegenheitserklärungen sowie Herausgabepflichten unterschrieben. So war er verpflichtet, über alle betrieblichen Angelegenheiten Stillschweigen zu bewahren und bei Beendigung des Anstellungsverhältnisses sind alle betrieblichen Unterlagen sowie etwa angefertigte Abschriften oder Kopien an die Firma herauszugeben. Die Schweigepflicht galt explizit auch über das Ende des Arbeitsvertragen hinaus. Ferner galten alle Daten über Mandanten etc. als Firmeneigentum.
Solche Klauseln sind gängig, da Arbeitgeber ihre internen Informationen schützen wollen. Vor allem ist hier die andauernde Schweigepflicht und die Einstufung der Daten als Firmeneigentum relevant. Es soll dem Arbeitgeber allgemein vorgeschrieben werden, betriebliche Daten sehr vertraulich zu behandeln.
Die Ereignisse vor dem Streit
Der Kläger hatte von der Arbeitgeberin dienstlich ein Notebook erhalten, auf dem er arbeiten sollte. Dort hatte er auch Zugang zu den Firmendaten, welche auf einer Cloud gespeichert waren. Zu den einzelnen Projekten führte der Kläger immer wieder Backups auf einer externen Festplatte durch.
Im September 2020 hatte sich der Kläger für einen neuen Arbeitgeber entschieden und sich mit diesem geeinigt. Zum 01. Oktober 2020 war mit seiner derzeitigen Arbeitgeberin ohnehin ein sog. Sabbatical vereinbart. Hierbei erhält der Arbeitnehmer zwischen einem Monat und einem Jahr unbezahlten Urlaub, meist aus privaten Gründen.
Der Kläger wurde deshalb also am 30. September 2020 aufgefordert, das Notebook und andere betriebliche Gegenstände abzugeben. Kurz zuvor übertrug er jedoch Dateien, auch eigene private, auf zwei USB-Sticks und auf eine externe Festplatte.
Dies kam heraus, als die Arbeitgeberin aufgrund eines Verdachtes externe Firmen beauftragte, nach Übertragungen zu suchen. Die Beklagte leitete daraufhin ein einstweiliges Verfügungsverfahren ein. Der Kläger wurde verurteilt, es zu unterlassen, die Daten im geschäftlichen Verkehr zu nutzen oder an einen Dritten weiter zu geben. Ferner kündigte sie als Arbeitgeberin dem Kläger fristlos.
Als dieser gerichtlich gegen die Kündigung vorging, machte die Beklagte in einer Widerklage Schadensersatz für die ihr nach Ausspruch der fristlosen Kündigungen entstandenen Ermittlungskosten einschließlich der Kosten für beauftragte Rechtsanwälte geltend. Es fand sogar eine Hausdurchsuchung bei dem Kläger statt, die jedoch erfolglos war.
Vortrag des Klägers
Der Arbeitnehmer trug vor, es sei gängige Praxis bei der Beklagten, externe Speichermedien zu verwenden. Auch solche, die nicht von der Arbeitgeberin ausgehändigt wurden. Dies habe er schon seit Jahren getan – ob es sich in diesem Fall um private USB-Sticks oder um ausgehändigte handelte, wisse er nicht mehr.
Nach einem Schaden in der Festplatte des Notebooks hatte er stets eine externe Festplatte genutzt, um regelmäßig Daten zu sichern. Er habe nie die Absicht gehabt, die Daten nach Ende des Arbeitsverhältnisses für sich zu behalten oder deren Herausgabe zu verweigern. Das habe er auch nie getan.
In letzter Zeit hätte er nur nochmal Projektdaten an seinen privaten E-Mail-Account weitergeleitet, da diese für das Gerichtsverfahren nötig wurden. Er wäre nie zur Herausgabe externer Speichermedien aufgefordert wurden – es wurde nur nach dem Notebook gefragt.
Außerdem habe er seit dem 30. September 2020 keine externen Speichermedien in seinem Besitz. Alle existierenden Speichermedien habe er bei der Arbeitgeberin in einem Regal auf seiner Etage zurückgelassen. Soweit sie nicht von Dritten entfernt wurden, seien sie dort noch immer vorfindbar.
Schließlich habe die Beklagte ohne erkennbaren Anlass Kosten für IT- und Rechtsberatung ausgelöst. Für diese habe er nicht aufzukommen. Die Arbeitgeberin habe eine Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB getroffen. Darum sei sie wenigstens verpflichtet gewesen, ihn vorher zu der Sache anzuhören.
Das sah die Arbeitgeberin anders
Laut der Arbeitgeberin habe sie ihren Mitarbeitern nur eine dienstliche Nutzung der Notebooks gestattet. Eine private Nutzung der Hard- und Software sei nicht zulässig, genauso wie die Verwendung externer Speichermedien.
Zum Zeitpunkt der Herausgabe habe sie den Kläger gefragt, ob es noch weiteres IT-Equipment in seinem Besitz gebe, was dieser verneint habe. Auch habe er keinerlei externe Speichermedien in den Büroräumen zurückgelassen. Ein solches Regal, wie das Behauptete, gäbe es dort gar nicht. Hierzu treffe den Kläger die Beweislast.
Die Erfolglosigkeit der polizeilichen Untersuchung beweise auch nicht, dass er nicht im Besitz der Daten sei. Die externen Speichermedien könnten sich auch woanders befinden, zum Beispiel in seinem Ferienhaus. Es sei zudem äußerst verdächtig, dass der neue Arbeitgeber dem Kläger eine sog. „welcome-fee“ in Höhe eines sechsstelligen Betrages angeboten habe, nur um dort anzufangen. Dies sei offensichtlich für das Mitbringen von Unterlagen in Aussicht gestellt worden.
Die Weitergabe der Daten im Rahmen des Gerichtsprozesses stelle eine zusätzliche Pflichtverletzung dar. Dies zeige, dass der Kläger „munter“ nach Belieben mit den Daten umginge. Die fristlose Kündigung wäre eine wichtige Signalwirkung gewesen, da in ihrer Branche so ein Verhalten extrem rufschädigend sein könne. Es sei ihr nicht weiter zumutbar gewesen, mit dem Kläger zu arbeiten.
Schließlich hätten die Ermittlungen aufgrund eines dringenden Verdachtes stattgefunden. Durch sie sei der Kläger auch wegen einer bzw. mehrerer schwerwiegender vorsätzlicher Vertragsverletzungen überführt werden können. Es sei dadurch ein Schaden i.H.v. 91.306,06 EUR entstanden. Dieser sei nun ersatzfähig.
Erste Instanz – So sah es das Arbeitsgericht Hamburg
Das Arbeitsgericht Hamburg sah die Kündigungen als nicht rechtmäßig an und wies die Widerklage ebenfalls ab. Als Rechtsgrundlage für eine außerordentliche fristlose Kündigung wäre § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) einschlägig. Hiernach müssen alle Umstände des Einzelfalls sowie die Parteiinteressen berücksichtigt werden.
Eine rechtswidrige Übertragung projektbezogener und administrativer elektronischer Daten auf externe Datenträger, das Weiterleiten von Daten für den Gerichtsprozess sowie eine Nicht-Herausgabe rechtswidrig kopierter Daten an die Beklagte kämen als wichtiger Grund in Betracht. Allerdings liege hier nach Abwägung der Parteiinteressen kein wichtiger Grund vor.
Auch die Ermittlungskosten seien nicht erstattungsfähig. Die Beklagte habe nicht darlegen können, dass ein hinreichender konkreter Verdacht hinsichtlich einer strafbaren Handlung oder schwerwiegenden Vertragsverletzung vorlag. Es fehle schon an der Anhörung des Klägers.
Zustimmung durch das Landesarbeitsgericht Hamburg
Die Berufung der Beklagten sah das Landesarbeitsgericht Hamburg als unbegründet. Es fehle an einem wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB.
Hierfür müsste es der Arbeitgeberin nicht zumutbar gewesen sein, eine normale Kündigung abzuwarten. Gem. § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei des Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Eine Verletzung dieser Pflicht könne einen wichtigen Grund darstellen. Der Arbeitnehmer darf sich also nicht ohne Einverständnis des Arbeitgebers betriebliche Unterlagen oder Daten aneignen bzw. für betriebsfremde Zwecke vervielfältigen. Tut er dies rechtswidrig und schuldhaft, könne das einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB darstellen.
Dies hänge jedoch wesentlich von der Motivation des Arbeitnehmers und möglichen nachteiligen Folgen für den Arbeitgeber ab. Ob das Kopieren ein hinreichender Verdacht dafür ist, dass der Kläger die Daten auf private Festplatten kopiert hat, könne dahinstehen. Denn die Beklagte habe nie eine Verdachtskündigung ausgesprochen.
Die Beklagte habe nicht hinreichend beweisen können, dass der Kläger seine Vertragspflichten erheblich verletzt hätte – etwa durch Mitnahme der Datenträger aus den Büroräumen. Nach seinem Vortrag habe er alles in den Büroräumen zurückgelassen. Dies zu widerlegen, wäre Aufgabe der Beklagten gewesen. Da die Büroräume möbliert sind, reicht es nicht zu behaupten, es gäbe gar kein Regal.
Auch das Weiterleiten von Daten an die private E-Mail-Adresse des Klägers sei grundsätzlich geeignet. Jedoch nicht im konkreten Fall. Es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger hiermit den Zweck verfolgte, der Beklagten zu schaden oder die Daten etwa für einen Wettbewerber zu nutzen.
Schließlich sei auch die Widerklage unbegründet. Zwar kann bei einer Pflichtverletzung aus einem Vertragsverhältnis ein Schadensersatz-Anspruch nach § 280 BGB entstehen. Dieser erstreckt sich nach § 249 Abs. 1 BGB auch auf Aufwendungen der geschädigten Partei. Jedoch nur, soweit diese als notwendig anzusehen sind. Vorliegend habe es keinen hinreichenden Verdacht gegeben. Gem. § 254 BGB muss der Geschädigte auch Rücksicht auf die Interessen des Schädigers nehmen. Ohne eine Anhörung des Klägers sei der entstandene Schaden i.H.v. 91.306,06 EUR nicht ersatzfähig.
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